eine Eigenproduktion
Eine Produktion der Volksbühne Basel mit drei Schauspielern und zwei Musikern – in Koproduktion mit dem Roxy Birsfelden
Urbane Lebensgeschichten aus der Perspektive von fünf Söhnen.
Vor der Geräuschkulisse vorbeidonnernder Züge treffen sich fünf Männer zufällig in einem Imbiss, im unwirtlichen Nirgendwo. Sie sind aus der Zeit gefallen, auf der Durchreise. Zögernd kommen die Männer aus ihren inneren Monologen ins Gespräch. Sie erzählen von Aufbrüchen, Verlusten, Hindernissen, von den Ecken und Kanten, die ihr Leben prägen und dem Ringen nach Glück! Der Imbiss wird für eine kurze Dauer zum Mittelpunkt ihrer Welt. Was sie vereint, ist Emigration – vom Dorf in die Stadt, von einem Land ins nächste, erzwungen oder gewählt – als fundamentale Erfahrung, die fundamentale Erfahrung unserer Zeit. Schwer zu tragen sind diese Geschichten – doch ihre Selbstbehauptung ist wie ein kleines Zuhause.
Fünf Männer – Söhne – auf verschiedenen Wegen unterwegs, treffen in einem Bahnhofs-Imbiss aufeinander. Züge donnern im Hintergrund an ihnen vorbei. Einer arbeitet hinter der Bar, der zweite wartet verloren mit einem Strauss Blumen auf eine Frau, der dritte wird ständig von seinem Handy gestört. Zwei Musiker spielen selbstvergessen zwischen Getränkekisten und Kühlschrank. Die Männer haben nichts gemeinsam und blieben einander fremd, würden sie nicht ins Gespräch kommen. Der zeitlose Ort wird für eine kurze Dauer zu ihrem Mittelpunkt der Welt.
In der Flüchtigkeit der Begegnung entwickelt sich eine fast somnambule Tiefe der Gespräche. Wie im Zug sitzt man nebeneinander, spricht über Privates, Intimes, Heikles, bis man unvermittelt wieder aussteigt. Bis dahin lassen sie sich Zeit. Sie hören aufmerksam zu, obwohl nie ganz eindeutig ist, ob sie miteinander oder zu sich selbst reden. Sie beobachten sich und scheinen das Gesagte doch nie zu bewerten. Sie nicken nicht mit den Köpfen und bekunden kein Mitgefühl. Hier gibt nicht einfach ein Wort das andere. Es ist ein schwer auszumachendes Impulssystem, das die Männer zum reden oder zum Musik machen bringt, manchmal im Einklang, manchmal sich knapp verfehlend. Ein System, das sich fein komponiert zusammenzieht und entlädt, entschleunigt und überraschende Finten schlägt.
Bruchlinien, Verluste, Hindernisse, Aufbruch, Ecken und Kanten prägen ihr Leben. Sie suchen, sie fragen, stellen Fragen die jeder kennt. Die man selten sagt, meistens versteckt, oft erst recht vor sich selbst.
Die Schauspieler und Musiker von Söhne sind alle in der Hybridität heutiger „Kulturmischungen“ aufgewachsen, ihre Authentizität und Ursprünglichkeit liegt in den vielfältigen Erfahrungen, die sie gemacht haben, ihre Gemeinsamkeit in der Suche nach theatralen Ausdrucksformen. Söhne erzählt von den Kanten, Wunden, Abgründen und Freuden der Identitätskonflikten und Selbstbehauptunsprozessen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ohne schnelle Zuweisungen, Klischees, Wertung, Be- oder Verurteilung. In sorgfältiger und geduldiger Debatte, mittels biographischer Recherche, gesammelter Geschichten und mitentwickelter Musik, als genuinem Ausdruck, entsteht ein Theaterabend, der mit künstlerischen Mitteln das Zusammenleben in der heutigen urbanen Vielfalt spiegelt.
Besetzung
Regie & Text: Anina Jendreyko
Schauspiel: (Jean) Nadim Jarrar, (Stani) Robert Baranowski, (Memo) Orhan Müstak
Musik: Haki Kilic, Delchad Ahmad
Produktionsleitung: Pascal Moor
Regie-Assistenz: Marie Jeger
Bühne: Pia Gehriger
Requisite: Özlem Yilmaz
Kostüme: Cornelia Peter
Rezensionen
«Mit ihrem Stück «Söhne» gelingt der Basler Schauspielerin und Regisseu- rin Anina Jendreyko subtil und szenengewaltig ein Blick hinter allseits bröckelnde Kultur- und Migrationshintergrundkrusten …
Annette Mahro, Badische Zeitung 30. Mai 2014
Memo wird sich schließlich zu einem Ausbruch hinreißen lassen, der Bühnengeschichte schreiben könnte. In seinem sehenswerten Zweikampf mit einer Deckenlampe teilt er heftig aus, muss aber auch einstecken, wie es eben so geht im Leben….
„Vielmehr als um die kulturelle Verwurzelung, so stellt sich heraus, geht es hier um die Erfahrungen und Prägungen durch Vorfahren und Eltern. Um Leidenschaft und Liebe und die grossen Fragen des Lebens, deren Ur- sprung keine Nationalität aufweist. Den Männern zuhören, deren Ges- chichten sich plötzlich zu berühren und überschneiden scheinen, macht die Welt sichtbar als ein sich standing veränderndes Gebilde aus Traum und Geschichte, Erinnerung und Fiktion.“
Kaa Linder, SRF/Kultur 3. Juni 2014
„Es hat alles, was wir sahen und hörten, in uns eine Beunruhigung hervorgerufen, Beunruhigung um den den Menschen, um das Menschsein. Alles war einfach. Alles war aufrichtig. Die Menschen. Der Text. Das Bühnebild.
Bodo von Plato Kulturkritiker 6. Juni 2014
Die Musik vor allem. Sie gab dem Ganzen grosse Wärme, Tiefe, das Klagende und Liebende, das grosse Dennoch. Das Auftreten der drei Hauptprotagonisten: ausgezeichnet. Im ersten Moment ist alles enthalten, alles, was sich dann weiter entfaltet. Drei grossartige Momente. Der Barman, schon immer da, schon immer Mittel- punkt, wer denn sonst; bei dem Literaten die Erwartung und vergebliche Suche; bei dem Ältesten in der Familie die Frage nach seiner Wirkung, jetzt. Drei Menschen, drei Menschenfragen, die jeder kennt. Die man selten sagt, meistens versteckt, oft erst recht vor sich selbst.”